Interview: Claudia von Female Finance Forum

Female Finance Forum Claudia

Was genau ist das „Female Finance Forum“, welches Ziel steckt dahinter und was bietest Du an?

Das Female Finance Forum ist eine Bildungsplattform rund um das Thema Finanzen, extra für Frauen. Mir geht es darum, Frauen einen Raum zu geben, in dem sie von- und miteinander lernen können. Es gibt viel Raum zum Austausch, und es gibt inhaltlichen Input in Form von Workshops.

Frauen haben einen anderen Zugang zu Finanzen als Männer. Der stark männlich dominierte Finanzsektor spricht diese Herangehensweise bislang nicht an. Daher sind Frauen häufiger in Finanzfragen unbewandert. Ich möchte diese Wissenslücke überbrücken. 

Wie kam es dazu, dass du dich mit Finanzen beschäftigst?

Ich hatte immer schon eine starke Motivation, mit meinem Job etwas Gutes für die Welt zu machen. Früher wollte ich Ärztin werden, dann in die Entwicklungszusammenarbeit. Irgendwann habe ich festgestellt: Money makes the world go round. Geld ist Macht. Also will ich dafür sorgen, dass die Spielregeln des Geldes fair sind und dass alle Menschen diese Spielregeln verstehen. Ich war mehrere Jahre bei der Deutschen Bundesbank für das Thema „Nachhaltige Geldanlage“ verantwortlich und habe Ende 2017 das Female Finance Forum gegründet.

„Ich war mehrere Jahre bei der Deutschen Bundesbank für das Thema „Nachhaltige Geldanlage“ verantwortlich und habe Ende 2017 das Female Finance Forum gegründet.“

Was sagst du zu Frauen, die zu ihrem Partner/Partnerin sagen „Kümmere du dich um unsere Finanzen, du kennst dich besser damit aus“?

Oh, das ist eine Aussage, die ich oft höre. Finanzen sind die Grundlage für fast alles andere im Leben: Gesundheit, soziale Teilhabe, Zufriedenheit. Für die Deutschen ist finanzielle Absicherung der zweitwichtigste Aspekt für Lebensqualität. Und diese Grundlage willst du komplett aus der Hand geben? Noch dazu, wenn wir bedenken müssen, dass 40% aller Ehen geschieden werden?

Außerdem möchte ich gerne meine Cousine zitieren, die sagt: Es ist für mich in Ordnung, dass mein Mann besser Bescheid weiß in Finanzen. Es ist für mich auch in Ordnung, dass er besser Handwerkern kann. Aber ich möchte trotzdem einen Nagel in die Wand hauen und eine Glühbirne wechseln können. Genauso möchte ich die finanziellen Grundlagen beherrschen. 

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Es wird allgemein empfohlen, weniger als 30% des Gehaltes für Miete zu verwenden. Hättest du eine Empfehlung, wieviel % man mindestens für das Sparen aufwenden sollte?

Es gibt zwei super Modelle, die ich empfehlen kann. Das 50-30-20-Modell gefällt mir besonders gut, weil es so simpel ist. Dabei gehen 50% des verfügbaren Einkommens auf alle Dinge, die sein müssen: Miete, Versicherungen, Lebensmittel usw. 30% des verfügbaren Einkommens gehen auf die Dinge, die ich haben möchte, die aber nicht sein müssen: Urlaub, Essen gehen, Netflix. Und 20% des verfügbaren Einkommens spare ich.

Im 6-Töpfe-Modell teile ich mein verfügbares Einkommen noch weiter auf: 50% gehen in laufende Ausgaben. 10% spende ich (gibt gutes Karma!), 10% investiere ich in mich selbst (Fortbildungen – die halten meinen Kopf auf Trab), 10% investiere ich in Spaß, und 20% spare ich. Das Sparbudget teile ich nochmal auf in kurzfristiges Sparen (Notgroschen), und langfristiges Sparen.

Jedes Modell muss ich natürlich an meine Lebenssituation anpassen. In einer Umbruchphase kann es sehr schwierig sein, 20% des Einkommens zu sparen. Aber ein klares Ziel hilft, die Sparquote zu erhöhen und letztlich bei der Wunschquote anzukommen.  

Welche Art von Geldanlage würdest du nicht empfehlen für jemanden, der gerade erst mit dem Investieren anfängt?

Eine der wichtigsten Regeln beim Investieren (und eigentlich immer) lautet: Unterschreibe nie etwas, das du nicht verstehst. Wenn dir jemand irgendwelche (Finanz-)Produkte verkaufen will, solltest du so lange nachfragen, bis du alles verstanden hast. Und wenn du dann der Meinung bist, dass es für dich das richtige Produkt ist, dann kannst du investieren.

„Eine der wichtigsten Regeln beim Investieren (und eigentlich immer) lautet: Unterschreibe nie etwas, das du nicht verstehst.“

Was würdest du Frauen raten, die schon lange über ihre Finanzen nachgedacht haben und auch wissen, dass sie etwas tun müssen, aber immer noch nicht den ersten Schritt gemacht haben?

Eines meiner Lieblingszitate lautet: „Better done than perfect!“ – Erledigt ist besser als perfekt (Mark Zuckerberg). Natürlich sollten wir verstanden haben, was wir tun. Aber paralysiert in der Analyse zu verharren, bringt uns nicht weiter. Ich empfehle, konkrete Schritte zu planen: Ich lese mich ein. Ich baue meinen Notgroschen auf. Ich entscheide, ob ich z. B. in Aktien investieren möchte, in eine Immobilie, oder anderes. Falls ich mich für Aktien entscheide, eröffne ich ein Musterdepot. Ich lerne drei Monate lang mithilfe meines Musterdepots, wie der Aktienmarkt funktioniert. Ich investiere einen kleinen Betrag von meinem „echten“ Geld. Nach einem halben Jahr schaue ich, ob ich mit der Strategie und dem Ergebnis zufrieden bin. Und ggf. justiere ich nach.

Es ist hilfreich zu wissen, dass ich bei Geldanlage mit kleinen Beträgen anfangen kann, und dass ich immer nochmal korrigieren kann. 

Manche Frauen, die aus Familien mit geringerem Einkommen sind, glauben vielleicht, dass Investieren und Finanzplanung nur etwas für reiche Leute ist – was kann man diesen sagen, so dass sie ihre Einstellung ändern?

Ganz wichtig: Wir müssen nicht reich sein, um zu investieren. Aber wir sollten investieren, um reich zu werden.

Es ist möglich, bereits ab 25€ im Monat in einen breit gestreuten und damit relativ risikoarmen Aktienfonds zu investieren. Und wenn wir das mehrere Jahrzehnte lang machen, kommt ganz schön was zusammen. Das lohnt sich definitiv! 

Was wäre deine Empfehlung für die Personen, die glauben, nicht die Disziplin zu haben, Geld zu investieren? Gibt es auch für diese Gruppe passende Finanzprodukte?

Solchen Menschen, zu denen ich übrigens selbst auch gehöre, empfehle ich, möglichst viel zu automatisieren. Bei mir geht automatisch am Anfang des Monats mein Sparbetrag auf ein separates Konto, genauso wie meine Investition in ETF (Exchange Traded Funds, das sind kostengünstige, breit gestreute Aktienfonds). Ich muss gar nicht darüber nachdenken und komme daher nicht in Versuchung, eine Investition auszusetzen. Immobilien haben eine ähnlich disziplinierende Funktion: Die Bank will ihren Kredit abbezahlt bekommen, also haben wir gar keine Wahl.

Man sollte schauen, welche Geldanlage zu einem passt, und sich dann ein möglichst automatisches System aufbauen. Dann kommt man gar nicht in Versuchung, das Geld für andere Dinge auszugeben. 

Muss man ein Mathegenie sein um mit dem Investieren anzufangen?

Man muss überhaupt kein Mathegenie sein. Die meisten Rechnungen, die man anstellen muss, kann man an Online-Rechner abgeben. Egal, ob das Zinsen, Rentenlücke oder anderes ist. „Ich war schon immer schlecht in Mathe“ ist keine Ausrede!   

Was hältst du von Kryptowährungen und dem Investieren in Kryptowährungen?

In dem Bereich kenne ich mich nicht genug aus, um fundierte Empfehlungen zu geben. Und da ich nur in Dinge investiere, die ich verstehe, lasse ich die Finger von Kryptowährungen. Es macht für mich den Eindruck eines modernen Goldrausches, und wenn man da nicht zu den ersten gehört, lohnt es sich meistens nicht mehr. Vielleicht liege ich da aber falsch und ärgere mich demnächst, dass ich nicht eingestiegen bin.   

Gibt es deiner Meinung nach einen besten Zeitpunkt um ETF oder Aktien zu kaufen?

Den perfekten Zeitpunkt gibt es nicht. Oder besser: Wir sind nur rückblickend in der Lage, den perfekten Zeitpunkt zu identifizieren. Auf dem Boden der Finanzkrise 2008 wäre der perfekte Zeitpunkt gewesen, um günstig in Aktien zu investieren. Allerdings wussten wir nicht, wann wir uns auf dem Boden befanden. Daher lohnt es sich nicht, auf den perfekten Zeitpunkt zu warten. Wir sollten stattdessen früh wie möglich investieren, um möglichst lange vom Zinseszins-Effekt profitieren zu können. „It’s not Timing, It’s Time.“ 

„Wir sollten stattdessen früh wie möglich investieren, um möglichst lange vom Zinseszins-Effekt profitieren zu können. „It’s not Timing, It’s Time.“ „

Wie hilfst oder unterstützt du Frauen, sich um ihre Finanzen zu kümmern? Hast du dich auf einen konkreten Bereich spezialisiert?

Im Female Finance Forum habe ich mich auf Geldanlage spezialisiert, insbesondere Aktien und Anleihen in Form von ETF. Ich gebe aufeinander aufbauende Workshops, in denen Frauen das Wissen erlernen, das sie für die Geldanlage in diese Produkte brauchen. Diese Workshops biete ich insbesondere auch für Arbeitgeber an, die dadurch ihre Mitarbeiterinnen motivieren und Gleichstellung glaubwürdig fördern können. 

Wie sehen deine Zukunftspläne aus?

Momentan arbeite ich an einem Konzept, wie ich mein Angebot besser online anbieten kann. Damit könnte ich mehr Frauen erreichen, insbesondere die, die nicht in den Großstädten leben. Wenn ihr da konkrete Wünsche oder Anregungen habt, nehme ich die sehr gerne entgegen!

➤➤➤ Weitere Infos zu Claudia findet ihr auf ihrer Website femalefinanceforum.de

Mehr Informationen über Geldanlagen und Sondervermögen findest du auch bei geldfreundinnen www.geldfreundinnen.de