Interview: Dr. Birgit Happel von Geldbiografien

Birgit Happel Geldbiografien Guanshe

Dr. Birgit Happel verknüpft mit Geldbiografien die Themen Geld und Leben und hat zum Umgang mit Geld promoviert. Gerade für Frauen ist es hilfreich, Finanzwissen in einen biografischen und gesellschaftlichen Kontext zu stellen. Als Beraterin, Trainerin, Dozentin und Coach setzt Birgit sich für die Finanzfitness von Frauen und die Professionalisierung der finanziellen Bildung ein. Sie arbeitet mit verschiedenen Kooperationspartnern zusammen und engagiert sich im Vorstand des Präventionsnetzwerks Finanzkompetenz. Sie ist außerdem Mitglied bei UN Women Nationales Komitee Deutschland und macht sich für die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen stark. Dr. Birgit Happel lebt in der Nähe von Aschaffenburg.

„Mit Geldbiografien bette ich die finanzielle Bildung in biografische und gesellschaftliche Zusammenhänge ein. „

Du bist selbstständig mit dem Portal „Geldbiografien“. Was genau steckt dahinter und was bietest du an?

Mit Geldbiografien bette ich die finanzielle Bildung in biografische und gesellschaftliche Zusammenhänge ein. Mir geht es darum, Menschen zu ermutigen, groß zu denken und darin zu bestärken, Verantwortung für ihre finanzielle Zukunft zu übernehmen. Dazu braucht es eine gewisse finanzielle Bildung, die allen zugänglich gemacht werden muss und nicht von den Ressourcen der Eltern oder dem eigenen Geldbeutel abhängig sein darf.

Meine Angebote reichen von Vorträgen, Workshops und Öffentlichkeitsarbeit zur Finanzbildung und Finanzfitness über Geldcoachings bis hin zur Professionalisierung der Finanziellen Grundbildung. Hier geht es beispielsweise darum, das Thema in die Lehrerausbildung, ins Fach Soziale Arbeit oder in die Entwicklungsarbeit einzubringen und dafür arbeite ich mit verschiedenen Kooperationspartnern zusammen.

Wie kam es dazu, dass du „Geldbiografien“ gegründet hast?

Geldbiografien ist aus meiner Arbeit als Referentin und Coach für Finanzbildung und meiner wissenschaftlichen Untersuchung zum Thema Geld und Lebensgeschichte entstanden. Vor allem in Workshops mit Frauen war mir aufgefallen, wie unterschiedliche Herangehensweisen ans Geld die Zukunft meiner Klientinnen prägen und ich wollte wissen, warum jemand so oder eben anders mit Geld umgeht. In der Geldpsychologie kann man etwa seinen Geldtyp erfahren, aber nicht, wie und warum dieser sich herausgebildet hat. Deshalb habe ich mir die Geldgeschichte meiner Interviewpartner und Interviewpartnerinnen genauer angeschaut und verschiedene Muster herausgearbeitet, wie Menschen mit Geld umgehen und welche Wechselwirkungen es zu ihrer Geldsozialisation, Gelderziehung und Lebensgeschichte gibt. Die Gründung spiegelt auch meinen Werdegang aus der Wertpapierberatung zur Verbraucherbildung wider. 

Mehr Informationen über Finanzen findest du auch bei geldfreundinnen www.geldfreundinnen.de

Sehr viele Frauen überlassen in der Beziehung ihrem Partner das Thema Finanzen und möchten sich gar nicht erst damit beschäftigen. 

Doch gerade für Frauen, die dann noch Elternzeit nehmen und/oder in Teilzeit arbeiten und somit nicht viel für die spätere Rente ansparen, ist es umso wichtiger, sich um eine Altersvorsorge zu kümmern.

Wie kann man deiner Ansicht nach diese Frauen ermutigen, dass sie doch einmal anfangen, sich mit ihren Finanzen zu beschäftigen? 

Finanzbildung macht Spaß und ist kein trockener VWL-Stoff. Es geht hier ja auch um unsere Lebensziele und Lebensträume, die wir mit Geld und unserem Lebensstil verwirklichen wollen. In der heutigen Zeit kommt keine Frau mehr um das Thema finanzielle Unabhängigkeit herum– nicht erst in Bezug auf die Altersvorsorge, sondern im Hier und Jetzt. Wenn ich finanziell von meinem Partner, meiner Partnerin oder von meinen Eltern abhängig bin, schränke ich meine eigenen Handlungsfreiheiten stark ein, und sei es auf einer emotionalen Ebene.  

Was würdest du Frauen raten, die schon lange über ihre Finanzen nachgedacht haben und auch wissen, dass sie etwas tun müssen, aber immer noch nicht den ersten Schritt gemacht haben? 

Denkt in großen Zusammenhängen, macht euch schlau und informiert euchsucht euch Mitstreiterinnen. Vor allem setzt euch finanzielle Ziele und macht euch einen Plan, wie ihr die erreichen und umsetzen wollt. 

„Die alltägliche Finanzplanung ist das eine, die haben Menschen mit geringem Einkommen oft intuitiv drauf.“

Manche Frauen, die aus Familien mit geringerem Einkommen sind, glauben vielleicht, dass Investieren und Finanzplanung nur etwas für reiche Leute ist – was kann man diesen sagen, so dass sie ihre Einstellung ändern?

Die alltägliche Finanzplanung ist das eine, die haben Menschen mit geringem Einkommen oft intuitiv drauf. Aber wenn es an die Vermögensplanung und das Investieren geht, ist das von dir beschriebene Denken nicht selten anzutreffen. Und hier liegt ein großer Hebel, gerade wenn ich für mein Geld hart arbeiten muss, sollte ich es umgekehrt auch für mich arbeiten lassen.Gerade in Niedrigzinszeiten wie diesen sollten Frauen sich den Spruch „von nichts kommt nichts“vor Augen führen. Derzeit wagen auch konservativere Anlegerinnen den Schritt und setzen sich mit Aktienfonds und ETF’s auseinander. 

Muss man ein Mathegenie sein um mit dem Investieren anzufangen? 

Nein keineswegs, es geht nicht darum, irgendwelche Derivate mit Hebeln zu verstehen, sondern die Basics des Investierens und letztlich ja auch die unseres Wirtschaftssystems. 

Was hälst du von Kryptowährungen und das Investieren in Kryptowährungen?

Als kleine Depotbeimischung kann das für risikobewusste Anlegerinnen interessant sein, für mich kommen Kryptowährungen erst infrage, wenn sie stärker von der Finanzaufsicht kontrolliert werden. 

Bezüglich ETFs und Aktien, gibt es deiner Meinung nach einen besten Zeitpunkt, diese zu kaufen/verkaufen? Wann weiss man, wann der richtige Zeitpunkt dafür ist?

Als langfristig orientierte Anlegerinnen brauchen Frauen keine Angst vor falschen Ein- und Ausstiegszeitpunkten haben. Das 100% beste Timing gibt es sowieso nur im Idealfall. Viel schlimmer ist es doch, wenn ich nie anfange und das Thema jahrelang vor mir herschiebe. In der ganzen Zeit hätte mein Geld schon arbeiten können. 

Es gibt sehr viele Möglichkeiten, sein Geld anzulegen. Gibt es irgendwelche Finanzprodukte, die du auf keinen Fall empfehlen würdest? Vor allem für Personen, die gerade erst mit der Geldanlage anfangen?

Vor geschlossenen Fonds sollten Neueinsteigerinnen tunlichst die Finger lassen. Auch nicht auf „super sichere und rentable“ Empfehlungen aus dem Bekanntenkreis hören. Laut einer neuen Untersuchung der Verbraucherzentrale Hessen gab es gerade hier Falschberatung und Empfehlungen hochriskanter Produkte. 

Gibt es abschließend noch etwas, das du Frauen in Bezug auf Finanzen als Ratschlag mit auf den Weg geben möchtest?

Behaltet beim Geld einen kühlen Kopf und lasst die Emotionen außen vor– soll etwa heißen, trennt Geld und Liebe, beschäftigt euch mit eurer Risikobereitschaft, blickt den Zusammenhängen von Lebens- und Finanzentscheidungen ins Gesicht. Lasst eure Berufsbiografie auch in der Familienphase nicht aus dem Blick, seid neugierig und mutig im Leben und bleibt euren Werten treu.  

➤➤➤ mehr zu Dr. Birgit Happel auch unter ihrer Website www.geldbiografien.de

Mehr Informationen über Finanzen findest du auch bei geldfreundinnen www.geldfreundinnen.de

(Foto: Dr. Birgit Happel/Alexandria Singler)