Interview: Shari von Wonder Women’s Coworking

CoWorking Wonder Woman Amapola

Shaghayegh Karioon ist Inhaberin des Coworking Spaces Amapola in Berlin Mitte und hat 2018 Wonder eröffnet, ein Coworking Space für Frauen in Berlin, Prenzlauer Berg.

Das Interview mit Shari entstand aus einer Aufnahme am 27.11.2018 bei einem Besuch von Anke von guanshe im Wonder Coworking space in Berlin.

Du hast 2016 den Coworking Space Amapola Coworkingin Berlin Mitte gegründet. Im Sommer 2018 kam dann Wonder hinzu, ein Coworking Space in Berlin Prenzlauer Berg, speziell für Frauen. Wie kam es dazu? 

Es bestand eigentlich nie der Plan, einen normalen Coworking Space zu gründen, ich hatte vielmehr von Anfang an die Idee im Kopf, einen Coworking Space für Frauen zu eröffnen.

Ich habe Jahre zuvor bei Regus gearbeitet und dort festgestellt, dass es kein Coworking-Büro für Frauen gibt. Das war für mich dann der Anstoss, mich damit auseinanderzusetzen und ich fing an, zu recherchieren. Anfangs war es erst einmal nur eine Idee,denn ich dachte, das würde ich sowieso nicht bezahlen können. Ich habe mich dann jedoch immer intensiver damit beschäftigt, habe auch die Finanzsituation näher betrachtetund schliesslich einen Businessplan geschrieben. Da ich ja noch angestellt war, hatte ich auch keinen Druck, etwas machen zu müssen. Ich konnte also ganz in Ruhe Schritt für Schritt planen. Ich habe mir sehr viel Zeit gelassen und diese auch gebraucht, um mir alles gut zu überlegen. Es kam dann auch mehrmals vor, dass ich alles wieder verworfen habe. Bis zum fertigen Businessplan verging recht viel Zeit. Dann ging es schliesslich darum, das Projekt zu finanzieren, denn es war klar, dass ich dafür Geld benötigen würde. Dabei war mir von vornherein klar, dass ich dies über eine Bank laufen lassen wollte und nicht etwa über einen Investor oder Ähnlichem.

Ich habe dann auch die Zusage für die Finanzierung erhalten und auch eine passende Immobilie gefunden, beides darauf basierend, einen CoWorking Space für Frauen zu eröffnen, was ja meine ursprüngliche Idee war. 

Während der Zeit der Vorbereitung, der Recherche, der Finanzierung und Suche nach einer geeigneten Immobilie, hatte ich jedoch sehr viele Unterhaltungen und auch Diskussionen, ob die Idee eines CoWorking Spaces für Frauen überhaupt sinnvoll sei. Ich wurde sehr viel kritisiert und meine Idee wurde von vielen in Frage gestellt, so dass ich letztendlich so viele Zweifel und auch Angst bekommen hatte, dass ich vor der Eröffnung entschied, doch einen gemischten Coworking Space zu errichten. Deshalb wurde Amapola Coworking dann als normaler Coworking Space eröffnet

Wie unterscheidet sich Wonder von einem gemischten Coworking Space, in dem sich Männer und Frauen treffen? Was macht Wonder besonders aus? 

Ich glaube, generell ist der Unterschied schwer in Worte zu fassen. Jedoch denke ich, dass alle, die bereits einmal an Veranstaltungen von Frauen-Communities oder Frauen-Netzwerken teilgenommen haben, erlebt haben, dass es dort immer eine besondere Energie gibt. Dass sehr viel Verständnis für ein ander da ist und dass man oft so viele Ähnlichkeiten entdeckt, die man vielleicht nicht unbedingt mit jedem Mann entdeckt. Zudem unterscheiden sich Frauen von Männern im Umgang miteinander, vor allem auch im Business bereich, da es unter Frauen nie rein Business ist, sondern es meist auch sehr freundschaftlich zugeht. In einem gemischten Space sehe ich das eher weniger, dort steht meist nur das berufliche im Vordergrund.

Das wiederum macht Wonder besonders aus, denn immer, wenn hier viele Frauen zusammen kommen, nimmt es eine sehr freundschaftliche Atmosphäre an. Der berufliche Aspekt ist natürlich Thema bei allem, trotzdem herrscht stets eine sehr freundschaftliche Atmosphäre.

Auf der Website von Wonder nennst du neben dem Begriff  Coworking noch die Stichworte „Collaboration“ und „Community“. Kannst du uns mehr darüber erzählen, was genau damit gemeint ist?

Ich wollte damit verdeutlichen, dass es nicht nur das reine zusammen Arbeiten ist, also nebeneinander Arbeiten, sondern dass dieser Ort natürlich da ist, damit wir miteinander arbeiten. Dass wir einander unterstützen und Hilfe suchen können, aber vielleicht auch gegenseitig Aufträge vergeben können. Das fände ich natürlich auch ganz wunderbar, wenn sich eine berufliche  Zusammenarbeit ergibt.  

Eine Community ist auch selbstverständlich aus den genannten Gründen, da man nicht nur dieses Arbeitsumfeld hat, sondern auch eine freundschaftliche Gemeinschaftsebene braucht und auch hat. 

Was begeistert dich an deiner Tätigkeit? 

Wirklich sehr viel. Ich habe immer wieder darüber nachgedacht, ob ich wieder angestellt arbeiten könnte, ob es noch eine Option für mich wäre, denn es hat schliesslich viele Vorteile. Gerade als Mutter denke ich manchmal, wie schön es wäre, einfach nach Hause zu gehen und Feierabend zu haben und auch mal krank sein zu dürfen oder sich ausschließlich um das Kind zu kümmern, wenn es krank ist. Das sind unter anderem Dinge, die ich vermisse oder nie gehabt habe, da ich Mutter bin, seitdem ich selbstständig bin.

Allerdings ist die jetzige Arbeit so vielfältig und erfüllend wie kein vorheriger Job und ich habe auch noch nie so viel gelernt. Gerade in der Anfangsphase, wenn alles noch im Aufbau ist, ist die Lernkurve sehr steil, wie ich es in meinem vorherigen Berufsleben nie erlebt habe. Es geht nicht nur um ein Thema, sondern um so viele. Ich hatte von nichts eine Ahnung und musste alles lernen, so war es zumindest gefühlt.  Und es war total aufregend und natürlich super schön, wenn Dinge klappen und wenn es nicht klappt, ist es komischerweise nicht so dramatisch wie vorher als ich angestellt war. Mein Gefühl, mein Empfinden meiner Arbeit gegenüber ist ein anderes als es vorher war. Vielleicht ist es tatsächlich so, dass es jetzt nicht mehr das klassische Arbeiten ist, es ist irgendwie ein bisschen anders.  Es ist ein Teil von meinem Leben und von mir auch viel mehr akzeptiert als ein Umstand, der eben ist wie er ist. Ich empfinde die Selbstständigkeit zum Teil als anstrengender, andererseits aber auch als weniger stressig, weil ich es wahrscheinlich lieber mache.

Was kann man deiner Meinung Frauen sagen, die gerne gründen würden und/oder in die Selbstständigkeit wechseln möchten, aber Angst vor dem Scheitern haben und es deshalb nicht in die Tat umsetzen? 

Ich denke, man sollte sich wirklich lange oder lange genug mit dem Vorhaben der Selbstständigkeit auseinandersetzen. Man sollte alles gut planen und vor allem die Finanzen im Überblick haben. Ich bin auch eher ein Freund davon, alles in Ruhe vorzubereiten und zu planen und keine überhöhten Erwartungen zu haben.

Wenn man dann jedoch sein Konzept erstellt hat und es funktionieren könnte, sollte man es auch wirklich durchziehen. Man sollte dann die Leichtigkeit haben, es auszuprobieren und sich nicht davon abbringen lassen. In diesem Zusammenhang sollte man Scheitern auch nicht zu ernst nehmen, denn unser großes Problem ist oft, dass wir eine große Angst vor dem Scheitern haben und es als etwas ganz Furchtbares wahrnehmen und uns große Sorgen darüber machen, wie unser direktes Umfeld darauf reagiert. 

Ich musste selbst auch erst lernen, dass es in meinem privaten Umfeld für niemanden eine Rolle spielt, ob mein Vorhaben funktioniert oder scheitert. Der Grund, dass Freunde einen mögen ist schliesslich nicht, weil man eine steile Karriere macht oder ein tolles Business aufgebaut hat. Deshalb sollte man sein Vorhaben in jedem Fall ausprobieren und wenn man andere Personen in seinem Umfeld hat, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen möchten, sollte man sie dabei unterstützen und ihnen entsprechend das Gefühl geben, dass es ok ist, auch mal zu scheitern. Ich denke, hier müssen wir uns alle noch etwas ändern.

Sollte man dann tatsächlich scheitern, sollte man auch keine übermässige Schuldsuche betreiben. Viele denken dann oft, es läge an ihnen selbst, dass es nicht funktioniert hat, aber manchmal funktionieren die Dinge auch aus verschiedenen Gründen nicht, es gibt so viele Einflussfaktoren. Hier ist also eine große Portion Gelassenheit gefordert.

Wie gestaltest du deine täglichen Aktivitäten, um den Spagat zwischen Arbeit und Familie zu schaffen?

Ich habe seit kurzem eine Babysitterin, was sehr wichtig ist. Ich stehe morgens mit meiner Tochter auf und ziehe sie an, mache sie fertig und frühstücke mit ihr, alles abwechselnd mit meinem Partner. Die Babysitterin ist dann meist ab 9.30 Uhr da und ich habe 4 Stunden Zeit zum Arbeiten. Manchmal arbeite ich vom Coworking Space aus, manchmal auch von zu Hause aus. Danach bin ich wieder mit meiner Tochter alleine. Momentan verbringe ich somit über den Tag 4 Stunden mit Arbeit und erledige dann abends meistens die restlichen Angelegenheiten, wenn meine Tochter im Bett ist. Ich würde nicht sagen, dass das das Erfolgsmodell ist, denn es ist doch sehr anstrengend, es gibt sicherlich bessere Wege.

Dadurch, dass die Familien von meinem Freund und mir nicht in Berlin leben, haben wir von dieser Seite keine Unterstützung und sind alleine mit unserer Tochter. Aber es funktioniert trotzdem, auch wenn es phasenweise anstrengend ist. Unsere Tochter hat zum Glück auch einen verlässlichen Rhythmus und hat ihre festen Schlafenszeiten, was das Ganze sehr erleichtert.

Wie sehen deine Zukunftspläne aus? 

Ehrlich gesagt bin ich kein Zukunftsmensch und schaue nie weit voraus in die Zukunft. Manchmal grübel ich über die Vergangenheit, was auch nicht sehr gut ist, aber hauptsächlich lebe ich doch im Jetzt und schaue, dass die Dinge so laufen, wie sie sollen.

Ich wünsche mir, dass Wonder bis zum nächsten Sommer richtig angelaufen ist und funktioniert. Das ist mein Plan, sozusagen mein Zukunftswunsch, ansonsten bin ich eigentlich frei von Plänen.

Was kannst du als erfahrene Unternehmerin anderen Frauen, die gründen möchten, noch abschliessend als Ratschläge mit auf den Wege geben?

Ich denke, es kommt immer etwas auf die Frau an oder in welcher Situation sie sich gerade befindet, welche Art von Ratschlag sie benötigt. Ich glaube, das wahrscheinlich Wichtigste ist, an sich zu glauben. Dabei sollte man auch ruhig ein bisschen eingebildet und von sich selbst überzeugt sein und auf sich selbst vertrauen, dass man das schaffen kann.  

Zudem ist die finanzielle Planung äusserst wichtig und die Basis von allem. Man sollte sich absichern, dass man seinen Lebensunterhalt bestreiten kann und nicht in Schwierigkeiten geraten könnte. Wenn das alles steht, dann sollte man es auch tatsächlich ausprobieren. Man sollte aber auch die Gelassenheit haben und wissen, dass man wieder zurück zum vorherigen Arbeitsleben wechseln kann, sollte es doch nicht funktionieren. Der Weg zurück ist nicht so schwer wie man denkt, denn was soll schon passieren? Eigentlich kann nicht so viel passieren, ausser man hat Erfolg und muss dann zusehen, wie man damit zurechtkommt. Aber so viel schiefgehen kann im Normalfall nicht, schlimmstenfalls hat man ein Unternehmen gegründet, das nicht funktioniert hat, aber das passiert so vielen Menschen. 

Man sollte an sich und seine Idee glauben und dabei auch die Aussenwelt etwas ausblenden. Ich selbst habe mich sehr irritieren lassen von dem, was andere gesagt und kritisiert haben. Es gab einige, die fanden die Idee mit einem CoWorking Space für Frauen alles andere als gut. Das hat mich damals auch sehr mitgenommen und beschäftigt. Im Nachhinein habe ich mich sehr darüber geärgert, denn diese Personen hatten sich ja nicht mit der Idee beschäftigt so wie ich es gemacht hatte und konnten es somit auch gar nicht verstehen. 

Gerade in der Gründungszeit fragt man sich oft selbst: „Kann ich das?“ Und man reagiert dann viel sensibler auf Einflüsse von aussen. Aber gerade in dieser Zeit wäre es ganz gut, sich selbst zu sagen: Die anderen stecken nicht so sehr in der Materie wie man selbst, keiner hat sich damit so auseinander gesetzt. Alle Kommentare, die kommen, sind vielleicht auch durchdacht, aber trotzdem müssen sie nicht richtig sein, wenn man es komplett anders sieht. Man sollte einfach ein bisschen mehr Selbstbewusstsein haben.

➤➤➤ weitere Infos zu Wonder Women’s Coworking findet ihr auf der Website www.wonder-coworking.de

Anfahrt:

Wonder Women’s Coworking: Prenzlauer Allee 186, 10405 Berlin

(Tram M2 und M10 Haltestelle Fröbelstrasse / S-Bahn S8, S41, S42, S85 oder Bus 156 Haltestelle Prenzlauer Allee)

Amapola Coworking: Scharnhorstraße 24, 10115 Berlin 

(U-Bahn U6 Haltestelle Schwartzkopffstraße oder 700m vom Berliner Hauptbahnhof)

Fotos: Shaghayegh Karioon und Wonder Coworking